Gemüsenormen und Foodwaste

Zweibeinige Rüebli die aussehen wie Ballerinas, Zwillingskartoffeln oder krumme Zucchetti, immer wieder bringt uns die Ernte im Sälbererntegarten zum Schmunzeln. Die nicht immer der Norm entsprechenden Gemüse bringen aber auch unserer Sälberernter:innen in unbekannte Gefilde: «Kann man das trotzdem essen, ich habe sowas noch nie gesehen?» fragen sich wohl einige immer mal wieder.

Die gesetzlichen Vorgaben geben nur vor, dass Gemüse bei der Abgabe an die Konsumentinnen und Konsumenten sauber, unversehrt und sortentypisch, normal entwickelt, erntereif und wenn es gewaschen wurde, gut abgetropft sein muss. Die Vorgaben, die dazu führen, dass im Laden alle Rüebli zum Verwechseln ähnlich aussehen, sind eine Abmachung zwischen dem Handel und der Produktion und sind öffentlich zugänglich www.qualiservice.ch/qualitaetsnormen.

Wenn zwei Partner miteinander Handel betreiben wollen, macht es durchaus Sinn, wenn man festlegt, was man unter einem handelsfähigen Rüebli versteht und so beide vom Gleichen reden. Im schnellebigen Gemüsehandel kann das nicht immer wieder von neuem und mit jedem Lieferanten separat ausgehandelt werden, deshalb gibt es die Qualitätsnormen.

Doch was passiert, wenn die Qualitätsnormen sehr eng ausgelegt sind? Der Anteil an Gemüse, welcher nicht in den Lebensmittelhandel geliefert werden kann, ist umso grösser, je enger die Qualitätsnormen ausgelegt sind. In der Schweiz entsteht rund 20% des Foodwaste in der Landwirtschaft (https://foodwaste.ch/), einerseits weil die Ernte aus technischen Gründen nie voll eingefahren werden kann oder nicht normgerechte Produkte aussortiert werden müssen (missförmige Karotten, zu grosse Zucchetti oder zu kleine Kartoffeln), obwohl sie geschmacklich in Ordnung wären.

Übrigens: für Bioprodukte gelten, mit ganz wenigen Ausnahmen, die genau gleichen Normen wie für konventionelles Gemüse!

Direktvermarkter können zwar Gemüse mit Makel verkaufen, da sie sich nicht an die Normen halten müssen, aber es ist schwer Konsumentinnen und Konsumenten von unförmigem oder fleckigem Gemüse zu überzeugen.

Wir sind uns alle so an makellose Ware gewöhnt, dass wir automatisch zu den schönsten Exemplaren greifen, die so aussehen, wie man sich etwas gewohnt ist.

man beobachte sich mal ganz ehrlich selber

Im Sälbererntegarten führt das dazu, dass Gemüse nicht geerntet wird oder im Kompost landet, da Unsicherheiten bestehen, ob etwas wirklich essbar ist. Auch unsere seltenen Sorten, die mit ungewöhnlichen Farben und Formen eigentlich punkten sollen, werden zum Teil nicht/zu früh/zu spät geerntet, weil sie eben nicht wie gewohnt aussehen…

Wir hoffen, dass zweibeinige Rüebli, Zwillingskartoffeln oder krumme Zucchetti bald einmal wieder als normal angeschaut werden und voller Freude zubereitet und genossen werden.

Immer wieder wird die Schuld zwischen dem Handel und den Konsumierenden hin und her geschoben, der Handel bietet es an, weil die Konsumierenden es wollen und die Konsumierenden kaufen es, weil ja nur das Schöne angeboten wird.

330 Kilo Essbares pro Kopf und Jahr landen hierzulande im Abfall. Der ganze Foodwaste ist eine unglaubliche Verschwendung von Energie, Wasser, Dünger, Saatgut, Pflanzenschutzmitteln und Arbeit. Und es ist ein ethisches, ökologisches und ökonomisches Problem.

Dieses Jahr hat der Bundesrat einen Aktionsplan gegen Foodwaste verabschiedet, bis 2030 soll der Foodwaste in der Schweiz halbiert werden. Ein ehrgeiziges Ziel, im Gegensatz zu bereits bestehenden Initiativen nimmt er dabei die ganze Kette in die Pflicht: von der Produktion über die Verarbeitung und den Handel bis zu den Konsumierenden. (www.bauernzeitung.ch/…/der-bundesrat-will-gegen-food-waste-mit-der-grossen-kelle-anrichten)

Abgeerntetes Eisberg Feld Juli 2022, Eisberg ist nur das helle Innere des Salats, entsprechend viel bleibt auf dem Feld zurück. Würde er als Krachsalat verkauft, wäre auch das äussere Grüne noch dabei, allerdings ist dieses weniger zart.
Futterrüebli für unsere Schweine. Wir gönnen ihnen die top Qualität! Aber eigentlich wären die allermeisten auch für die menschliche Ernährung geeignet, trotz eigenwilliger Form oder unregelmässigem Wuchs…